"Schicksalsgemeinschaft - Verlorener Frieden in Europa" - Symposium der Stiftungen der Sparkasse Leipzig am 8. Oktober 2024
"Schicksalsgemeinschaft - Verlorener Frieden in Europa" - Symposium der Stiftungen der Sparkasse Leipzig am 8. Oktober 2024
In einer abschließenden Podiumsrunde diskutierten die drei Referenten mit Sabine Adler (Osteuropa-Korrespondentin des Deutschland Radios und Preisträgerin des Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien 2024), Marika Linntam (Botschafterin der Republik Estland in der Bundesrepublik Deutschland) und Generalmajor a. D. Michael A. Hochwart (bis zum 30. September 2024 Kommandeur des Ausbildungskommandos Heer der Bundeswehr in Leipzig).
Dr. Harald Langenfeld (Vorstandsvorsitzender der Medienstiftung und der Sparkasse Leipzig) betonte in seinem Grußwort die Bedeutung eines geeinten Europas. Es gelte, "Europa als gemeinsamen Raum des Vertrauens" zu erhalten: "Und in diesem Sinne eine Wertegemeinschaft, die sich nicht abschließt, sondern als offene Gesellschaft ein Angebot macht für Demokratie und Meinungsfreiheit, für Vielfalt und ein friedliches Miteinander".
Prof. Dr. Sir Christopher Clark, Regius Professor of History an der University of Cambridge, erläuterte in seiner Keynote "Europa als Schicksalsgemeinschaft? Vom politischen Nutzen der Geschichte", wie eine gemeinsame europäische Geschichte immer wieder im Nachhinein nationalisiert werde: "Die komplexe europäische Vergangenheit wird als Nährstoff für nationale Erzählungen genutzt."
Mit einem Symposium "Schicksalsgemeinschaft - Verlorener Frieden in Europa griffen die Stiftungen der Sparkasse Leipzig am 8. Oktober 2024 die Diskussionen um die Zukunftsfähigkeit Europas auf. Bereits 2018 hatten die Stiftungen der Sparkasse Leipzig zum Symposium "Schicksalsgemeinschaft - Europas Zukunft hundert Jahre nach dem ersten Weltkriegsende" nach Leipzig eingeladen. Dabei wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, ob nach den Erfahrungen zweier Weltkriege ein Krieg im Europa der Zukunft noch denkbar erscheint.
v.l.n.r.: Brigadegeneral Heinz Josef Feldmann (Stellvertretender Kommandeur des Ausbildungskommandos Heer der Bundeswehr in Leipzig), Prof. Dr. Sönke Neitzel und Generalmajor a. D. Walter Spindler (Kommandeur des Ausbildungskommandos Heer der Bundeswehr in Leipzig von 2013 bis 2017).
Prof. Dr. Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam, warf in seinem Beitrag "Die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr" die Frage auf, inwiefern Europa und seine Nationalstaaten reformfähig seien. Die seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs eingeleiteten Reformen der Bundeswehr seien diesbezüglich Bedenken erregend: "Wir sind von der Zeitenwende zur Zeitenbremse marschiert", konstatierte Neitzel. Um echte Reformen anzugehen, müsste "auch die Politik tapfer sein und ins Risiko gehen".
Über "Die Medien im Krieg" referierte Prof. em. Dr. Michael Haller, vormals Professor für Allgemeine und Spezielle Journalistik an der Universität Leipzig und Wissenschaftlicher Direktor des "Europäischen Institutes für Journalismus- und Kommunikationsforschung gem. e. V. - EIJK" in Leipzig. Er erläuterte, dass der Ausbruch des Ukraine-Kriegs ebenso wie der Angriff der Hammas auf Israel am 7. Oktober 2023 ein verstärktes Informationsbedürfnis der deutschen Bevölkerung und eine erhöhte Nutzung von News-Medien mit sich gebracht habe. Regelmäßig stünden Medien vor der Frage, wer die Deutungshoheit in der Kriegsberichterstattung habe - Militär oder Journalismus. "Es ist eine Frage, die sich nur in demokratisch verfassten Staaten stellt", machte Haller klar.
Erste Reihe (v.l.n.r.): Prof. em. Dr. Michael Haller, die Leipziger Autorin Linde Rotta und Prof. Dr. Sir Christopher Clark Zweite Reihe (v.l.n.r.): Stiftungsdirektor Stephan Seeger, Clemens Prinz von Sachsen, Gisela Prinzessin von Sachsen und Alexander Prinz von Sachsen.
Clark konstatierte überdies, dass Russland von der revolutionären Geschichtsbetrachtung des 20. Jahrhunderts zurückgekehrt sei zu einer im 18. und 19. Jahrhundert verankerten Philosophie, die das Land als konservativen Widerpart zum liberalen Westen verstehe. Insofern sei das 20. Jahrhundert als eine Ausnahme zu verstehen - inzwischen sei man zum "Normalfall" des Petersburger Manifests unter Zar Nicolaus I zurückgekehrt, laut dem Russland mit Großmächten verhandle und kleinere Staaten allenfalls als verhandelbare Landstriche betrachte.
Sabine Adler zeigte auf, wie schwierig die Aufgabe des Auslandskorrespondenten in Krisengebieten ist: "Das Emblem 'Press‘' ist in einem Kriegsgebiet eine Zielscheibe." Marika Linntam äußerte sich anerkennend über die Rolle, die Deutschland im Ukraine-Krieg spiele: "Bei aller innerdeutschen Kritik: Wir sind dankbar, dass sich in Deutschland etwas bewegt." Generalmajor a. D. Michael A. Hochwart betonte, dass Europa eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik benötige, um dauerhaft wehrhaft zu sein. In einem solchen Rahmen sei auch die Bundeswehr reformierbar, stellte er fest, bezweifelte jedoch, dass "prozessorientierter Zentralismus" hier zum Ziel führe.
Wie schwierig die Aufgabe des Auslandskorrespondenten in Krisengebieten ist, ordnete Sabine Adler, Osteuropa-Korrespondentin des Deutschland Radios und Preisträgerin des Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien 2024, in der abschließenden Podiumsdiskussion ein. Im Ukraine-Krieg gelte: "Wir haben Desinformation auf der einen Seite, Restriktionen auf der anderen. Und wir dürfen nicht ins Kriegsgebiet", führte sie aus: "Das Emblem 'Press' ist in einem Kriegsgebiet eine Zielscheibe."
Zugleich forderte Neitzel größere Ehrlichkeit auch der Generalität und - wie in anderen Ministerien üblich - einen Wissenschaftlichen Beirat auch für das Verteidigungsministerium: "Wir brauchen mehr Öffentlichkeit in den ganz großen Fragen", sagte der Militärhistoriker.
Den öffentlich-rechtlichen Medien und ihrem Korrespondentennetz falle laut Professor Haller deshalb die besondere Aufgabe zu, faktenorientiert zu arbeiten und diese Fakten einzuordnen. Allerdings sei die Objektivität begrenzt: Medien seien eingebettet in den Frame liberal-demokratischer Werte der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Dies mache sie in bestimmtem Maße zu "Mitkämpfenden, die unsere Werte gegen das Böse verteidigen."
Um dauerhaft wehrhaft zu sein, benötige Europa eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, betonte Generalmajor a. D. Michael A. Hochwart, bis zum 30. September 2024 Kommandeur des Ausbildungskommandos Heer der Bundeswehr in Leipzig. In einem solchen Rahmen sei auch die Bundeswehr reformierbar, stellte er fest, bezweifelte jedoch, dass "prozessorientierter Zentralismus" hier zum Ziel führe.
"Wenn sich unsere Politik zu sehr am gerade vermuteten aktuellen Volkswillen orientiert: Lassen Sie uns immer wieder betonen, dass es auch unsere Meinung gibt", zog Stephan Seeger, Direktor Stiftungen der Sparkasse Leipzig, ein Resümee: "Wir haben keine populistischen Lösungsansätze zu bieten, die schnellen Frieden und damit die Beruhigung der Volksseele versprechen - sondern die Realität. Und die Geschichte!"
Rebecca Harms (früheres Mitglied des Europäischen Parlaments und Stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit ECPMF) im Gespräch mit Stiftungsdirektor Stephan Seeger (ebenfalls Mitglied des Vorstandes des ECPMF).
v.l.n.r.: Dr. Harald Langenfeld (Vorstandsvorsitzender der Medienstiftung und der Sparkasse Leipzig), Stabsfeldwebel Heiko Stehr (Vizepräsident des Freundeskreises der Bundeswehr Leipzig e. V.), Prof. Dr. Sönke Neitzel und Oberst a. D. Matthias Reibold (Präsident des Freundeskreises der Bundeswehr Leipzig e. V.).
Marika Linntam, Botschafterin der Republik Estland in Deutschland, äußerte sich anerkennend über die Rolle, die Deutschland im Ukraine-Krieg spiele: "Bei aller innerdeutschen Kritik: Wir sind dankbar, dass sich in Deutschland etwas bewegt." Im Baltikum habe man gesehen, wie der russische Nachbar in den vergangenen 30 Jahren Schritt für Schritt aggressiver geworden sei. Umso mehr sei es von "existentieller Bedeutung", dass die Ukraine den Konflikt gewinne und ihre regionale Integrität wiederherstellen könne, "damit Russland nicht die falschen Schlussfolgerungen zieht."