La Voz de Galicia berichtete kritisch über das Tankerunglück der “Prestige” und die dadurch ausgelöste Ölpest im November 2002. La Voz de Galicia, die Stimme Galiziens, ist die größte Zeitung der spanischen Region, vor deren Küste im November 2002 der Tanker “Prestige” sank und eine gewaltige Ölpest auslöste. “La Voz” reagierte mit großen journalistischem Engagement und konterkarierte mit ihrer kritischen und weitsichtigen Berichterstattung die Versuche von Regierung und örtlichen Behörden, die Katastrophe zu verharmlosen. Die Redaktion widerstand dabei auch politischem Druck und Pressionen und bewies beispielhaft die Kraft und Notwendigkeit einer freien und unabhängigen Presse. “Wir hatten es mit Regierenden zu tun, die niemals etwas fragten, niemals zuhörten, und niemals mit uns sprachen. Sie zeigten ebenso viel Inkompetenz wie Feindschaft gegenüber den Bürgern”, empörte sich der populäre spanische Schriftsteller Manuel Rivas zum Jahrestag einer der größten Umweltkatastrophen Europas. “Sie wissen noch heute nicht, was sie angerichtet haben. Sie haben das Schiff in ihrer eigenen Schande versenkt. Sie lachen ihre Bürger aus und glauben, die Wahrheit mit dem Schweröl ins Meer gegossen zu haben.” Dass Anfang November 2002 der marode Tanker Prestige vor Spaniens Atlantikküste in einem Sturm leck schlug, war weder Schuld der Regierung Galiziens, noch der in Madrid. Doch vieles, was folgte und den Unfall für die Bevölkerung der Region zum “Tschernobyl des Meeres” machte, beruhte auf Schlamperei, Ignoranz und Gedankenlosigkeit. Trotz seiner hochgiftigen Fracht von 77.000 Tonnen Öl, ließ die Regierung den störenden Tanker schlicht fortschaffen und provozierte damit das spätere Sinken und die Verschmutzung in bislang unbekanntem Ausmaß. Diese Fehlentscheidung wurde freilich ebenso vertuscht wie die Gefahren, die bevorstanden. Journalisten wurden Besichtigungen und Luftaufnahmen des Unfallorts untersagt, ihre Fragen nicht beantwortet.
Die meisten spanischen Medien hätten das so hingenommen oder sich schnell abwimmeln lassen – auch weil die öffentlich-rechtlichen Medien unter starker Regierungskontrolle stehen, weil viele Regionalzeitungen von den Örtlichen Behörden abhängig sind und weil die nationalen Zeitungen zu weit weg und zu sehr parteipolitisch orientiert warten. Doch diesmal nahm La Voz de Galicia, auflagenstärkste Zeitung der Region, die Herausforderung an. Auch gegen Widerstände der Behörden suchte sie nach objektiven Fakten, auf Falschinformationen und Verharmlosungsmanöver der Regierung fiel sie nicht herein. Das in La Coruña herausgegebene Blatt tat zunächst, was die Behörden hätten tun sollen: Sie befragte Schifffahrtexperten, Meeresbiologen, den Kapitän der Prestige und die einheimischen Fischer. Die Journalisten widerlegten in neutralem, nüchternem Ton die Verharmlosungen der Verantwortlichen, stellten Widersprüche heraus und überführten die Falschaussagen der Regierung. Das Öl werde weder harmlos am Meeresboden liegen, noch im Rumpf der Prestige bleiben, schrieb La Voz, die Notfallhilfe der Regierung reiche weder personell noch finanziell; die Folgen für die Wirtschaft würden gravierender als verkündet; die Katastrophe wäre bei professioneller Reaktion deutlich milder ausgefallen; schließlich: auch ein Jahr nach dem Gau liegt kein angemessener Notfallplan für ähnliche Fälle vor. Die Zeitung wurde zur begehrten Pflichtlektüre in Galizien und zur Hauptquelle für die Medien in aller Welt. Sie bewies, dass die Pressefreiheit immer wieder aktiv eingefordert werden muss – auch in den etablierten Demokratien Westeuropas.