Seit Orson Welles am 30. Oktober 1938 auf CBS den von Howard Koch adaptierten Roman "Krieg der Welten" von H.G. Wells als Radioreportage über die soeben erfolgte Invasion der Außerirdischen in New Jersey inszenierte, gehört die tückische Verkleidung erfundener Geschichten ins seriöse Outfit des Nachrichten-Mediums Rundfunk zu den genuinen Erzählformen des Hörspiels. Ja, diese "Pseudo-Features" erfreuen sich seit zehn, fünfzehn Jahren sogar wieder besonderer Beliebtheit.
Ihr Stimulans scheint dabei gerade das Missverhältnis zwischen dem dokumentarischen Habitus, der zum Beispiel mit tatsächlichen oder geschickt "getürkten" Original-Tönen oder Außenaufnahmen von realen Schauplätzen unentwegt Authentizität suggeriert, und der solcherart mit radiophonem Siegel als "echt" zertifizierten Geschichte zu sein, die - vom kaum merklichen Ausscheren aus alltagsverbürgtem Realismus bis zur offenbaren Groteske und dem Umkippen in Parodie - unbekümmert bis dreist Erfahrung und Wahrscheinlichkeit auf den Kopf stellt. Im "Fake" sind die fingierten "Facts" selber "übergelaufen" und locken den Hörer auf den mit Fallstricken bespannten Holzweg einer erst irritierten und dann frappierenden Erkenntnis - und reflektieren nebenher das Medium, das sie "zur Kenntlichkeit entstellen".
Wie aber erarbeitet man sich diese "ohrenscheinliche" Faktizität? Wie lässt sich dokumentarisches Material - Audiofiles aus dem Recorder oder den Datenbänken der Hörfunkarchive - fiktional "umnutzen"? Was stimuliert und was sabotiert dabei Witz und narrative Energieerzeugung? Und was aus dem Hoheitsgebiet der wirklichen Welt gilt es bei solchen "Umwidmungen" zu beachten? Diesen Fragen widmet sich die von der Leipzig School of Media veranstaltete, fünfte "Radiowerkstatt Leipzig" vom 26. - 30. Januar 2011. Mit den beiden Seminarleitern Hermann Bohlen und Steffen Moratz werden zwei renommierte Autoren und Regisseure ihr Wissen und Können an interessierte Nachwuchsautoren weitergeben.