Erich-Loest-Preis 2023 geht an Ines Geipel.
Leipzig, der 8. September 2023. Die Schriftstellerin und Publizistin Ines Geipel wird mit dem Erich-Loest-Preis 2023 ausgezeichnet. Der von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig im Andenken an den 2013 verstorbenen Leipziger Schriftsteller und Ehrenbürger Erich Loest ins Leben gerufene Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird zum vierten Mal verliehen. Die Preisverleihung findet am 24. Februar 2023, dem Geburtstag Loests, im Mediencampus Villa Ida in Leipzig statt.
"Ines Geipel, erst umjubelte, später von der Stasi beobachtete Sprinterin und ‚Republikflüchtling‘, ist bis heute eine der wirkmächtigsten Stimmen, wenn es um die Aufarbeitung des DDR-Regimes und auch der nationalsozialistischen Diktatur geht", erklärt Stephan Seeger, Geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung: "Als Publizistin ist es ihr gelungen, das persönliche Erleben als Ausgangsbasis zu nehmen für ein Werk, das sowohl in seinen dokumentarischen als auch in seinen literarischen Teilen gleichermaßen relevant wie erhellend wirkt. Als engagierte und streitbare Stimme im Bemühen, die Wirkungsmechanismen von Diktaturen zu durchleuchten, ist sie eine Preisträgerin, wie sie Erich Loest gefallen hätte und zu deren Wahl ich die Jury deswegen herzlich beglückwünsche", so Seeger weiter.
Die Jury unter Vorsitz von Andreas Platthaus würdigte bei ihrer Entscheidung ausdrücklich neben der aktuellen dokumentarischen Erzählung "Schöner Neuer Himmel" auch die "Formenvielfalt" von Geipels publizistischem Gesamtwerk, zu dem neben zahlreichen eigenen Arbeiten auch die Gründung des "Archivs der unterdrückten Literatur der DDR" und die daraus entstandene Buchreihe "Verschwiegene Bibliothek" gehören. "In all ihren Arbeiten entwickelte sie einen Stil der literarischen Darstellung, der mit eigens geprägter Begrifflichkeit und kulturgeschichtlichem Werkzeug den Phänomenen zu Leibe rückt", so die Jury: "Ines Geipel bringt in ihren Büchern das zur Sprache, was als "inopportun" beschwiegen wurde: das individuelle Leid im Dienste einer sich als idealistisch gerierenden Ideologie. Und sie verfolgt die Nachwirkungen dieses Schweigens bis in unsere Gegenwart. Der Erich-Loest-Preis geht, ganz im Sinne seines Namensgebers, an eine engagierte Autorin, die sich im Bergwerk der literarischen Aufarbeitung mit der Wirkungsgeschichte zweier diktatorischer Systeme beschäftigt."
Zur Jury:
- Andreas Platthaus (Juryvorsitz; Chef des Ressorts Literatur und literarisches Leben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung)
- Linde Rotta (freie Schriftstellerin)
- Werner Schulz (ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Grüne)
- Dr. Katrin Schumacher (Redaktionsleiterin Literatur, Film, Bühne bei MDR Kultur)
- Prof. Dr. Jobst Welge (Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Universität Leipzig)
Zur Preisträgerin:
Ines Geipel, geboren 1960 in Dresden, ist Schriftstellerin und Professorin für Verskunst an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch". Sie floh 1989 nach ihrem Germanistik-Studium in Jena nach Westdeutschland und studierte in Darmstadt Philosophie und Soziologie. 1996 kam ihr erstes Buch heraus.
Das zentrale Thema ihres literarischen Werks ist die deutsche Gewaltgeschichte sowohl des Nationalsozialismus als auch der DDR-Diktatur. In diesem Kontext stehen ihre Romane "Das Heft" (1999), "Heimspiel" (2005), "Tochter des Diktators" (2017), ihre Personal Essays "Generation Mauer. Ein Porträt" (2015), "Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass" (2019), "Schöner Neuer Himmel. Aus dem Militärlabor des Ostens" (2022) oder auch ihre literarischen Reportagen "Verlorene Spiele. Journal eines Dopingprozesses" (2001), "Für heute reicht's. Amok in Erfurt" (2004) und "Seelenriss" (2010), die vielfach öffentliche Debatten angeregt haben. Seit 2005 hat sie zusammen mit Joachim Walther die "Verschwiegene Bibliothek" herausgegeben, eine auf zehn Bände angelegte Edition von AutorInnen und Texten, die in der DDR nicht erscheinen durften.
Für ihre Werke, aber ebenso ihr gesellschaftliches Engagement, wurde Geipel mehrfach ausgezeichnet, so zum Beispiel 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, dem "Lessingpreis für Kritik" 2020 und mit dem "Marieluise-Fleißer-Preis" 2021.
Zum Preis:
Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig im Andenken an den Schriftsteller Erich Loest alle zwei Jahre vergeben. Erich Loest war den Stiftungen der Sparkasse zeitlebens eng verbunden - als Gründungsmitglied der Medienstiftung und als Mäzen der Kultur- und Umweltstiftung, der er seinen literarischen Nachlass übereignete. Der Preis würdigt Autoren, die die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland nicht nur beschreiben, sondern mit ihrer Stimme den demokratischen Diskurs mitgestalten. Zudem sollen die Preisträger dem mitteldeutschen Raum verbunden sein. Bisherige Preisträger waren Guntram Vesper (2017), Hans Joachim Schädlich (2019) und Ulrike Almut Sandig (2021).