Tschichold-Stipendium

Die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig vergibt jährlich leistungsorientierte Stipendien an die Studierenden der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur:

2007: Jana Dietrich
2006: Pierre Eichner
2005: Katrin Schmidt, Wiebke Poerschke und Katja Schmeißer
2004: Anja Pötzsch und Michael Frankfurter
2003: Thomas Doberitzsch und Matthias Hönemann
2002: Thorsten Kirchhoff und Katrin Sassenhausen
2001: Uwe Schwarzer

Jan Tschichold, 1902-1974

Jan Tschichold, 1902 in Leipzig geboren und dort aufgewachsen, gehört zu den großen Typographen und Buchgestaltern des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Aufsätze und Schriften haben - vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren - eine radikale Umwälzung der Typographie Deutschlands eingeleitet. Seine späteren Arbeiten haben Maßstäbe gesetzt, die auch heute noch Gültigkeit haben. Ihn zu seinem 100. Geburtstag in Leipzig mit einem Medien-Preis zu ehren, ist Ansporn und Verpflichtung zugleich.

Als Sohn eines Schriftmalers geboren, setzte er sich schon in jungen Jahren intensiv mit Kalligraphie und Schrift auseinander. Bereits mit siebzehn Jahren begann Jan Tschichold 1919 ein Studium in der Schriftklasse Hermann Delitschs an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig. Bereits zwei Jahre später, mit nur 19 Jahren, wurde er dessen Assistent und erteilte Unterricht im Schriftschreiben.

1923 besuchte Tschichold die erste Bauhaus-Ausstellung in Weimar und kehrte aufgewühlt nach Leipzig zurück. Die dort gesehenen Arbeiten waren etwas ganz und gar Neues und für Tschichold zunächst ein Schock. Die Ideen des Bauhauses führten zu einer radikalen Veränderung in seinem Schaffen. "Tschichold, der nie am Bauhaus war, verwirklichte die [typographischen] Gedanken des Bauhauses am besten." (Albert Kapr)

Im Oktober 1925 erschien sein Manifest "elementare Typographie" in den Leipziger Typographischen Mitteilungen und löste eine heftige Diskussion unter Deutschlands Setzern aus. Ziel der von ihm propagierten Umwälzung war die "Einfachheit und Klarheit der Mittel", die Reduzierung der verwendeten Schriften auf die "einzig wahre Schriftform, die Grotesk" und die "Abschaffung des Ornaments". Seine Thesen wurden ebenso leidenschaftlich begrüßt wie heftig bekämpft, leiteten aber gerade aufgrund dieser Diskussionen eine grundlegende Erneuerung in der Typographie ein.

1933 wurde Tschichold von den Nationalsozialisten für einige Monate in Schutzhaft genommen und emigrierte in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod 1974 lebte. Der Stil seiner Arbeiten - z. B. für den Londoner Penguin Verlag oder die Basler Firma Hoffmann LaRoche - wandelte sich in diesen Jahren noch einmal gravierend und Tschichold kehrte zu "klassischen" und "traditionellen" Formen zurück (vielleicht als Reaktion auf die politische Situation in Nazi-Deutschland und als Abkehr von radikal und dogmatisch empfundenen Positionen zu deuten). Ein Wandel, dem manche seiner Zeitgenossen nicht folgen konnten oder wollten.

Bequem war Tschichold sicherlich nie, aber die Qualitätsmaßstäbe, die er an seine und an andere Arbeiten stellte, sind auch heute noch Vorbild. Jan Tschichold steht für eine Gestaltung, die nicht die Originalität, den "persönlichen Ausdruck" in den Vordergrund stellt, sondern die die Erreichung optimaler Lesbarkeit und die ungehinderte Vermittlung von Inhalten als die eigentliche Aufgabe des Gestalters ansieht. Diese Aufgabe ist heute - auch und gerade bei den Neuen Medien - aktueller denn je.

Prof. Christian Ide
Studiengang Verlagsherstellung, FB Polygrafische Technik der HTWK Leipzig.

(Die Stipendien werden auf Vorschlag der jeweils zuständigen Institute bzw. Hochschullehrer vergeben. Eine direkte Bewerbung bei der Medienstiftung ist nicht möglich.)