Solidaritätsadresse der Leipziger Medienpreisträger mit türkischen Journalistinnen und Journalisten

Aufgrund der aktuellen Ereignisse in der Türkei hat die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig eine Solidaritätsadresse der Preisträger des Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien für ihre türkischen Kolleginnen und Kollegen initiiert. Diese Solidaritätsadresse wurde im Rahmen der Verleihung des Preises an Can Dündar und Erdem Gül am 7. Oktober 2016 veröffentlicht. Die Liste der unterzeichnenden Preisträger wird ständig erweitert.

Solidaritätsadresse

Wir, die unterzeichnenden Preisträger des Leipziger "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien", verurteilen aufs Schärfste die Verfolgung der türkischen Journalisten, Kolumnisten und Autoren Ahmet Altan, Nedim Şener, Erdem Gül und Can Dündar, die Bedrohung der unabhängigen Arbeit Hunderter weiterer türkischer Journalisten sowie die fortdauernde Beschränkung der Meinungs-, Medien- und Pressefreiheit in der Türkei. Die vier Journalisten, jeder für sich Preisträger des Leipziger "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien", stehen beispielhaft für das massive Vorgehen des türkischen Staatsapparates gegen regierungskritische Medien und Journalisten sowohl vor als auch nach dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016.

Ahmet Altan und sein Bruder wurden im September 2016 mehrfach verhaftet - wegen des Vorwurfs der Verstrickung in den gescheiterten Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs am 15. und 16. Juli 2016. Beide befinden sich gegenwärtig weiterhin in Haft. Nedim Şener wurde wegen seiner Recherchen zum Mord am armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink mehrfach juristisch verfolgt. Can Dündar und Erdem Gül wurde wegen ihrer Berichte zu Verstrickungen des türkischen Staates in den syrischen Bürgerkrieg der Prozess gemacht. Gegenwärtig befindet sich Can Dündar im Ausland, seine Ehefrau wird jedoch an der Ausreise gehindert - ein Vorgehen, das an eine Form der Kollektivhaftung grenzt. Desgleichen ist Erdem Gül durch Entzug seines Passes derzeit in seiner Reisefreiheit beschränkt.

Jede Form, die eine Regierungsbildung auf einem anderen als dem demokratischen Weg forciert, lehnen wir ab. Aufgabe der staatlichen Führung in einer demokratischen Gesellschaft ist es, demokratische Wahlen sicherzustellen, den Wettstreit der Meinungen zu ermöglichen, konkurrierende politische Ansichten zum Erreichen des Gemeinwohls zu befrieden, demokratische politische Minderheiten vor Verfolgung zu schützen, die Gewaltenteilung zu wahren und eine unabhängige Justiz zu befördern. Wie die Beispiele der Leipziger Medienpreisträger ebenso wie die zahlreicher anderer türkischer Journalisten belegen, verhindert die türkische Regierung seit Jahren systematisch eine pluralistische Meinungsbildung, indem sie kritische Journalisten unter Terrorverdacht stellt oder sie unter fadenscheinigen Begründungen juristisch verfolgt oder verfolgen lässt sowie die Arbeit regierungsunabhängiger Medien durch Verbote und Repressalien beschränkt.

Wir fordern die türkische Regierung sowie die türkische Justiz auf, umgehend Beweise für die unterstellte Beteiligung zahlreicher regierungskritischer Journalisten oder Medien am Putschversuch vorzulegen. Wir fordern eine Rückkehr der Türkei zu demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien für alle Journalisten und Medienschaffende. Wir fordern ein Ende der politisch motivierten juristischen Verfolgung von Journalisten, Verlegern, Herausgebern und Medien. Wir fordern alle türkischen Journalisten auf, die publizistische und propagandistische Vorverurteilung ihrer Kollegen zu unterlassen. Wir fordern die Wiedergeburt von Meinungs-, Presse- und Medienfreiheit in der Türkei - im Sinne der Europäischen Charta für Pressefreiheit, deren erster Artikel lautet:

"Die Freiheit der Presse ist lebenswichtig für eine demokratische Gesellschaft. Journalistische Medien aller Art zu achten und zu schützen, ihre Vielfalt sowie ihre politischen, sozialen und kulturellen Aufgaben zu respektieren, ist Auftrag aller staatlichen Macht."

Die Unterzeichner
(Stand: 1. November 2016)

Ahmet Altan, Türkei (Preisträger 2009)

Dr. Roman Arens, Deutschland (Preisträger 2004 für Journalisten helfen Journalisten e. V.)

Jörg Armbruster, Deutschland (Preisträger 2013)

Ides Debruyne - Gründer und Geschäftsführer von Journalismfund.eu,
Belgien (Preisträger 2013)

Can Dündar, Türkei (Preisträger 2016)

Martin Durm - Südwest Rundfunk SWR, Deutschland (Preisträger 2013)

Renate Flottau, Deutschland (Preisträgerin 2001)

Akbar Ganji, Iran (Preisträger 2007)

Fabrizio Gatti - Chefreporter des L’Espresso, Italien (Preisträger 2006)

Seymour Hersh, USA (Preisträger 2005)

Sayed Yaqub Ibrahimi, Afghanistan (Preisträger 2010)

Roland Jahn - Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, Deutschland (Preisträger 2014)

Prof. Dr. Volker Lilienthal - Professor für Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg, Deutschland (Preisträger 2006)

Thomas Mayer, Deutschland (Preisträger 2001)

Dušan Miljuš, Kroatien (Preisträger 2009)

Balázs Nagy Navarro - Aufsichtsratsvorsitzender des Europäischen Zentrums
für Presse- und Medienfreiheit, Ungarn (Preisträger 2012)

Farida Nekzad, Afghanistan (Preisträgerin 2014)

Jafar Panahi, Iran (Preisträger 2015)

Ana Lilia Pérez, Mexiko (Preisträgerin 2012)

Britta Petersen, Deutschland (Preisträgerin 2005)

Aram Radomski, Deutschland (Preisträger 2014)

Tongam Rina - Redakteurin bei der Arunachal Times, Indien (Preisträgerin 2013)

Bettina Rühl, Deutschland (Preisträgerin 2012)

Siegbert Schefke, Deutschland (Preisträger 2014)

Julia Stein - 1. Vorsitzende von netzwerk recherche, Deutschland (Preisträger 2003)

Aranka Szávuly, Ungarn (Preisträgerin 2012)

Dr. Wolfram Weimer, Deutschland (Preisträger 2007)

Simone Wendler - Chefreporterin der Lausitzer Rundschau,
Deutschland (Preisträgerin 2002)

Christoph Wonneberger, Deutschland (Preisträger 2014)

Assen Yordanov - Direktor der investigativen Website Bivol,
Bulgarien (Preisträger 2010)