"Beispielhafte Arbeit ungeachtet vielschichtiger Repressionen"

Jafar Panahi und Nedim Şener werden mit dem Leipziger "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" 2015 ausgezeichnet.

Leipzig, der 5. August 2015. Der iranische Filmemacher Jafar Panahi sowie der türkischstämmige Journalist Nedim Şener werden mit dem Leipziger "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" 2015 der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig geehrt. Die Jury des Medienpreises hatte unter 48 Nominierungen zu wählen: "Die Vielfalt der preiswürdigen Einreichungen auch in diesem Jahr verdeutlicht, dass der Kampf um die Meinungs-, Presse- und Medienfreiheit weltweit an zahlreichen Orten geführt werden muss und von unterschiedlichsten Protagonisten auch geführt wird", erklärte Stephan Seeger, Geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung: "Mit Jafar Panahi und Nedim Şener würdigen wir zwei international herausragende Medienschaffende, die sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg für das freie Wort in ihren Heimatländern einsetzen und dabei ungeachtet politisch motivierter Verfolgung, Haftstrafen und vielschichtiger Repressionen ihre beispielhafte Arbeit fortführen", so Seeger weiter. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und geht je zur Hälfte an Jafar Panahi und an Nedim Şener. Die Preisverleihung findet am 8. Oktober 2015 in Leipzig statt.

"Jafar Panahi ist als Filmemacher für sein künstlerisches Werk vielfach geehrt worden. Der Jury war es ein besonderes Anliegen, ihn auch als einen Streiter für die Liberalisierung in seiner Heimat Iran zu ehren. Die Publikationsverbote für seine Filme durch die iranische Regierung beweisen, dass es Panahi gelingt, mit Mut und unglaublicher Kreativität bei der Produktion und Distribution seiner Filme trotz Berufsverbots auch für die Weltöffentlichkeit ein nahezu dokumentarisches Bild vom Alltagsleben unter einem religiös ausgerichteten Regime zu zeichnen", erklärt Stephan Seeger die Wahl der Jury.

"Nedim Şener gilt als einer der renommiertesten Journalisten in der Türkei, der durch zahlreiche Artikel und Buchveröffentlichungen bekannt wurde. Insbesondere durch seine Recherchen über den Mord an Hrant Dink, Herausgeber der armenisch-türkisch-sprachigen Wochenzeitung 'Agos', wurde er zur Zielscheibe von Staat, Geheimdienst und Justiz in der Türkei und musste sich unter anderem wegen angeblicher Verunglimpfung staatlicher Organe vor Gericht verantworten. Şener lässt sich von diesen Einschüchterungsversuchen nicht beeindrucken und nimmt für seine Suche nach der Wahrheit und den Kampf um die Freiheit der Berichterstattung große persönliche Opfer in Kauf", begründete Seeger die Juryentscheidung.

Zu den Preisträgern
Jafar Panahi wurde am 11. Juli 1960 im iranischen Mianeh geboren. Nach dem Studium der Regie an der Hochschule für Kino und Fernsehen in Teheran, bei dem er auch das Weltkino kennenlernen konnte, startete er seine berufliche Laufbahn zunächst mit Fernsehprojekten und als Regieassistent. 1995 wurde sein Debütfilm "Der weiße Ballon" mit der Goldenen Kamera der Internationalen Filmfestspiele von Cannes ausgezeichnet. 1997 erhielt er für seinen Film "Der Spiegel" den Goldenen Leoparden auf dem Filmfestival von Locarno. Sein mit dem Goldenen Löwen des Filmfestivals von Venedig gewürdigter Film "Der Kreis" (2000) wurde in seinem Heimatland verboten - ebenso wie die Mehrzahl seiner folgenden Arbeiten wie "Offside" (2006, Silberner Bär bei der Berlinale), "Dies ist kein Film" (2011), "Geschlossener Vorhang" (2013, Silberner Bär bei der Berlinale) und "Taxi Teheran" (2014, Goldener Bär bei der Berlinale 2015). Darüber hinaus erhielt Panahi weitere Auszeichnungen wie den Carrosse d'Or auf dem Filmfestival in Cannes 2011 und den Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2012 des Europäischen Parlaments. Nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 unterstützte Panahi offen die Oppositionsbewegung der "Grünen Revolution". Am 1. März 2010 wurde er gemeinsam mit Frau und Tochter von der iranischen Polizei festgenommen und zunächst ohne Anklage für drei Monate inhaftiert. Im Dezember 2010 wurde er wegen "Propaganda gegen das System" zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt. Trotzdem gelingt es ihm regelmäßig, neue Filme zu veröffentlichen. Sein jüngstes Werk "Taxi Teheran" wurde 2015 mit dem Golden Bären der Berlinale ausgezeichnet.

Nedim Şener wurde 1966 in Deutschland geboren. 1990 absolvierte er ein Wirtschaftsstudium an der Universität Istanbul, seit 1991 arbeitet er für verschiedene türkische Zeitungen, zunächst für Ilk Haber, zwischen 1992 und 1994 für Dünya, 1994 bis 2011 für Milliyet und seit 2011 für Posta. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter Publikationen über Korruption, Betrug, organisierte Kriminalität, Steuerhinterziehungen, die Finanzierung von terroristischen Vereinigungen und über Geheimdienste. 2009 veröffentlichte er seine Recherchen über den Mord an Hrant Dink: Der Herausgeber der armenisch-türkisch-sprachigen Wochenzeitung war 2007 auf offener Straße erschossen worden. Şener warf den türkischen Behörden und insbesondere dem Geheimdienst vor, den Mord nicht verhindert zu haben, die Polizei soll den mutmaßlichen Mörder angestiftet haben. Der Journalist wurde daraufhin wegen illegaler Verbreitung vertraulicher Informationen angeklagt, jedoch vor Gericht freigesprochen. 2011 wurde Şener gemeinsam mit zehn weiteren Personen festgenommen, weil er zum Medien-Arm der Untergrundgruppe Ergenekon gehören soll, die einen Putsch gegen die Regierung Erdogan geplant haben soll. Er blieb bis März 2012 insgesamt 375 Tage in Haft und gilt in der Türkei weiterhin als Terrorist.

Zum Preis
Mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" ehrt die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig seit 2001 jährlich Journalisten, Verleger und Institutionen, die sich mit hohem persönlichem Einsatz für die Freiheit und Zukunft der Medien engagieren. Der Preis soll auch die Erinnerung an die friedliche Revolution in Leipzig am 9. Oktober 1989 wach halten: Damals forderten die Demonstranten "eine freie Presse für ein freies Land".


Preisträger:
2015 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2015 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien