Preisträger 2001: Prof. David Protess

Prof. David Protess
recherchiert mit seinen Studenten zweifelhafte Todesurteile in den USA. Er erreichte durch seine Arbeit mehrere Revisionen sowie ein Moratorium des Gouverneurs in Illinois.

1. Preis an Prof. David Protess
Der Stiftungsrat der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig hat Prof. David Protess aus Illinois den im 1. Preis mit 25.000 DM dotierten "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" des Jahres 2001 zuerkannt.

Begründung

Prof. David Protess und seine Studenten haben mit ihrer Arbeit nicht nur unschuldig Verurteilte vor der Vollstreckung der Todesstrafe bewahrt, sondern ein hervorragendes Beispiel dafür geliefert, welch herausragender Stellenwert einem engagierten, unabhängigen und professionellen Journalismus in der Gesellschaft zukommt. Sie haben gezeigt, dass Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit Werte sind, die immer wieder aufs Neue erkämpft werden müssen.

Biografische Notizen zu Prof. David Protess

Der 54-jährige David Protess ist Professor für Journalismus an der Medill School of Journalism an der renommierten Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois. Seine Forschungen in den vergangenen Jahren konzentrierten sich auf die Rolle der Medien in der Sozialpolitik, die Medienberichterstattung in Rassenfragen und die Beziehung zwischen Medien und dem Gesetz.

Protess selbst wurde Objekt internationaler Berichterstattung, als er mit seinen Studenten durch investigativen Journalismus unschuldig Verurteilten zur Freiheit verhalf. In dem Buch "A Promise of Justice" erzählt er, wie es gelang, die Justizfehler aufzudecken. Für dieses Buch bekam er den "Investigative Reporters & Editiors Award" sowie eine Nominierung für den Pulitzer Award. Die New York Times schrieb: "Kein Justizsystem, das Studenten benötigt um Gerechtigkeit zu schaffen, kann als funktionabel bezeichnet werden."

Inzwischen sind es bereits drei Menschen, die dem Professor und seinen Studenten ihr Leben verdanken. Sieben weiteren wurde zur Freilassung aus den Gefängnissen des US-Bundesstaates Illinois verholfen. Jährlich erreichen den Professor tausende Briefe von angeblich unschuldig Verurteilten und deren Angehörigen, die ihn bitten, sich ihrer anzunehmen.

"Seid skeptisch und werdet nicht zynisch"

Doch trotz all seiner Leistungen und Erfolge sieht sich Protess nicht als Held. Für ihn zählt vor allem sein Lehrauftrag. Er will seine Studenten nicht nur die graue Theorie lehren, er will sie vielmehr durch praktische Arbeit mit der angelsächsischen Tradition des investigativen Journalismus vertraut machen. Deshalb schickt er sie hinaus in die Gefängnisse und Justizpaläste, lässt sie Situationen nachstellen, wichtige Zeugen befragen und gibt ihnen seinen Leitspruch mit auf den Weg "Seid skeptisch und werdet nicht zynisch."

Und natürlich ist er ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Protess war sieben Jahre alt, als Ethel und Julius Rosenberg wegen Spionage verurteilt und hingerichtet wurden. Der Trubel und der Jubel um die Exekution widerten ihn schon damals regelrecht an. Später, als junger Reporter für den "Chicago Lawyer" oder als Research Director of the Better Government Association, führte Protess immer wieder einen engagierten Kampf gegen die Ungerechtigkeiten des Rechtssystems. Seine Mittel waren dabei stets journalistische: Fragen, Hinterfragen, Recherchieren und nochmals Hinterfragen.

Doch es gibt auch Kritiker und Neider. Neben den vielen Ehrungen und Preisen muss er vor allem mit dem Vorwurf leben, Journalismus und Aktivismus zu vermengen.

Protess' Erfolg: Moratorium gegen Todesstrafe

Dieser Vorwurf mutet seltsam an, denn immerhin war es die Arbeit von Professor Protess und seinen Studenten, die den Gouverneur von Illinois, einen ausgesprochenen Befürworter der Todesstrafe, dazu brachte, ein Moratorium gegen die Todesstrafe in seinem Staat zu erwirken. Nach 14 erwiesenen Fehlurteilen gestand Gouverneur George Ryan ein: "Ich kann mir nicht mehr sicher sein, dass die Gerichte nicht noch mehr Unschuldige zum Tode verurteilt haben." Neben Illinois kündigten 15 der 38 Staaten mit Todesstrafen an, ihre Verfahrensweise noch einmal zu überprüfen.

Rund 3500 Menschen sitzen derzeit in den Todeszellen der USA, darunter Minderjährige, Schwachsinnige und viele Mittellose, die sich eine effiziente Verteidigung nicht leisten konnten. Seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1977 wurden mehr als 200 Menschen exekutiert, in dieser Zeit aber auch 73 Männer und zwei Frauen wegen erwiesener Unschuld aus den Todeszellen entlassen.

Veröffentlichungen:
"A Promise of Justice" (1998)
"Gone in the Night" (1993)
"Journalism of Outrage" (1991)
"Agenda Setting: Readings on Media, Public Opinion" (1991)
"Uncovering Race: Press Coverage of Racial Issues in Chicago" (1989)

Preise/Ehrungen (Auswahl):
- Midwest Emmy Award
- Illinois Associated Press Best Investigative Reporting Award
- Advocates Award by the Illinois Attorneys for Criminal Justice (IACJ)
- Charles Deering McCormick Chair for Teaching Excellence
- Amoco Foundation Faculty Award
- Peter Lisagor Award for Exemplary Journalism
- das Buch "Gone in the Night" wird zum "Best Book of 1993 by Investigative Reporters and Editors (IRE)" ernannt
- National teaching Award for Excellence in teaching of Journalism Ethics vom Poynter Institute of Media Studies

Karriere:
- Abschluss an der Roosevelt University (1968)
- Reporter für den "Chicago Lawyer"
- Promotion an der "School of Social Service Administration" an der University of Chicago (1974)
- Research Director for the Better Government Association
- Professor for Journalism and Urban Affairs an der Northwestern University/Medill School of Journalism (1981)
- 1988 gelingt es ihm zum ersten Mal aufgrund seiner Recherchen, einen unschuldig verurteilten Mann aus der Todeszelle herauszuholen

Zusammen mit dem Rechtsprofessor Lawrence Marshall steht David Protess dem neu geschaffenen "Center for Wrongful Convictions and the Death Penalty" vor. Die Institution hat es sich zum Ziel gesetzt, mögliche Fehlurteile zu identifizieren, den Leidensweg der Rechtsopfer zu publizieren und ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Derzeit ist Protess Präsident des Chicago Innocence Project. Dieses ist gedacht als eine Rechtsberatung für alle Menschen, die wegen Raubes, Mordes oder Vergewaltigung verurteilt und dann vergessen wurden. Jura-Studenten überprüfen unter Aufsicht erfahrener Anwälte und Rechtsexperte Fälle von Häftlingen, die glauben, ihre Unschuld mittels DNA-Analyse beweisen zu können.


Preisträger:
2001 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien