"Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" 2005

Leipziger Medienpreis an Star-Rechercheur Seymour Hersh,
EU-Enthüller Tillack und zwei mutige Journalistinnen

Der mit insgesamt 30.000 Euro dotierte Leipziger "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" geht 2005 zu gleichen Teilen an den amerikanischen Journalisten Seymour M. Hersh, die deutschen Korrespondenten Britta Petersen und Hans-Martin Tillack sowie die russische Tschetschenien-Expertin Anna Politkowskaja. Dies entschied der Stiftungsrat der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig als Jury für die in diesem Jahr bereits zum fünften Mal verliehene Auszeichnung. Die Preise werden am 28. April 2005 in Leipzig übergeben. Zu dieser Veranstaltung und begleitende Symposien werden die aktuellen und die bisherigen Preisträger erwartet.

Nikolaisäule
Skulptur "Nikolaisäule" als Symbol des "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien"

Seymour Hersh erhält die Auszeichnung für sein Lebenswerk. Der Autor des "New Yorker" und Pulitzer-Preisträger begann seine Karriere mit Berichten über das Massaker von My Lay während des Vietnamkrieges im Jahr 1969. Später enthüllte er unter anderem, dass Nixons damaliger nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger das Flächenbombardement in Kambodscha befohlen hatte und der US-Geheimdienst CIA in den Putsch gegen den sozialistischen Regierungschef Allende in Chile verwickelt war. Nach ersten Meldungen über Folterungen im US-Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak wies Hersh nach, dass diese auf Befehle aus US-Regierungskreisen und dem Pentagon erfolgten. Die Jury: "Hersh verkörpert das schlechte Gewissen amerikanischer Journalisten, die Regierungsverlautbarungen vermehrt kritiklos an- und in ihre Medien aufnehmen."

Hans-Martin Tillack war von 1999 bis Mitte 2004 Korrespondent des STERN in Brüssel. Auf sein Konto gingen mehrere Aufsehen erregende Berichte über Korruption, Missstände und Demokratiedefizite innerhalb der EU-Bürokratie. Dies brachte ihm immer wieder Repressalien ein. So wurde Tillack im März 2004 nach seiner Berichterstattung über korrupte Strukturen im EU-Statistikamt Eurostat unter dem Vorwand der Beamtenbestechung von der belgischen Polizei verhaftet, sein Büro durchsucht und er ohne eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme nach außen stundenlang festgehalten und verhört. Dies löste weltweit den Protest der wichtigsten Medien- und Journalistenorganisationen aus.

Britta Petersen arbeitete im Januar 2002 als Reporterin der "Financial Times Deutschland" (FTD) in Afghanistan. Dort machte sie die Erfahrung, dass es Journalismus in unserem Sinne in dem kriegs- und krisengeschüttelten Land nicht gibt. Sie gründete im September 2003 die "Initiative Freie Presse" (IFP). In ihr organisieren sich erfahrene Journalistinnen und Journalisten und unterstützen durch die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses den Aufbau unabhängiger Medien. Petersen koordiniert die Arbeit nicht nur in der Hauptstadt Kabul, sondern auch in der Provinz, was mit persönlichen Risiken verbunden ist. In einer ersten Stellungnahme nannte sie den Preis eine Anerkennung für die IFP insgesamt. Er werde dazu beitragen, das gemeinsame Ziel, die Gründung einer unabhängigen landesweiten Zeitung, zu erreichen.

Die Russin Anna Politkowskaja berichtet als Korrespondentin des Intellektuellenblatts "Nowaja Gaseta" seit 1998 über den Krieg in Tschetschenien. Immer wieder reist sie in die umkämpfte Region, begibt sich bei ihren Recherchen in Lebensgefahr, schildert in Artikeln und Büchern Säuberungen, Vergewaltigungen, Hinrichtungen und Folterungen. In Russland erhielt die zweifache Mutter mehrfach Morddrohungen, musste unter Polizeischutz gestellt werden. Bei der Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater im Jahr 2002 fungierte sie als Vermittlerin. Im September 2004, als sie eine Reportage über das Geiseldrama von Beslan vorbereitete, wurde sie Opfer eines Giftanschlags. Man wollte Berichte von ihr verhindern, die der offiziellen Version widersprachen. Politkowskaja aber nahm vierzehn Tage später ihre Arbeit wieder auf. Ihr Credo: "Risiko ist ein Teil des Berufs. Entweder arbeitest du und kapierst das, oder du lässt deine Arbeit sein."

Die Preisträger wurden von dem unter anderem mit Chefredakteuren, TV-Korrespondenten und Schriftstellern besetzten Stiftungsrat nach Vorschlägen aus der nationalen und internationalen Fachwelt ausgewählt. Recherchen zur fachlichen Eignung der nominierten Kandidaten und Kandidatinnen haben Journalistik-Studierende der Universität Leipzig unter Leitung von Prof. Dr. Michael Haller durchgeführt.

Der "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" wird zum fünften Mal von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig verliehen. Er geht an Journalistinnen, Journalisten, Verlegerinnen und Verleger, aber auch an Medieninstitutionen, die sich mit Risikobereitschaft, persönlichem Engagement, Mut und Überzeugung für die Pressefreiheit einsetzen. Zudem soll er die Erinnerung an die von Leipzig ausgegangene friedliche Revolution in der DDR wach halten, zu deren Auslösern nicht zuletzt der Wunsch nach Presse- und Meinungsfreiheit gehörten. Diesen Aspekt symbolisiert eine bronzene Nachbildung der Säulen in der Leipziger Nikolaikirche, die die Preisträger ebenfalls erhalten. In diesem Gotteshaus hatte die Wende mit Friedensgebeten begonnen.

Russische Pressemitteilung/Russian Press Release (PDF)