Gegen den diesjährigen Leipziger Medienpreisträger, Wladimir Mostowoj (Chefredakteur des Kiewer "Wochenspiegel"), ist in Kiew eine Kampagne angelaufen. Grund: die Verleihung des "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien 2003" durch die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig. In der Begründung zur Preisverleihung heißt es u. a., dass Mostowoj sich als Chefredakteur trotz aller Bedrohungen und Bespitzelungen nicht hat einschüchtern lassen. Diese Begründung ist der "Stein des Anstoßes". Präsident Kutschma hat eine Untersuchung der Vorfälle um Mostowoj angeordnet.
Kyiv, 12 May (Interfax-Ukraine) - Ukrainian President Leonid Kuchma has ordered Interior Minister Yuriy Smyrnov, Security Service Chief Volodymyr Radchenko and Public Prosecutor General Sviatoslav Piskun to take all measures required for investigation into the facts of threats against Volodymyr Mostovy, editor in chief of Zerkalo Nedeli weekly. Ukrainian media reports about Mostovy as the winner of program "For the freedom and future of the mass media" emphasized that the journalist had to "work in conditions of threats and permanent persecutions." The President has been disturbed by this information, presidential press secretary Olena Hromnytska said on Monday. "The fresh facts of threats and persecutions against the Kyiv journalist demonstrate that the freedom of speech remains an object of pressure on the part of criminal circles and political adventurers," the press secretary said.
Untersuchungen dieser Art wurden von Kutschma in der Vergangenheit schon bei den Morden an den Journalisten Derevjanko und Gongadze ohne erkennbares Ergebnis angesetzt (sh. www.reporter-ohne-grenzen.de ). Mostowoj wird vorgeworfen, dass er die Bespitzelungen und das "Sich-bedroht-fühlen" nicht den Staatsorganen gemeldet hat (was in etwa dem Versuch gleichgekommen wäre, bei der Volkspolizei der ehemaligen DDR gegen das MfS Anzeige wegen des Abhörens von Telefonen erstattet zu haben). Mostowoj ist inzwischen verhört worden. Die Boulevard-Zeitung "Kiewskie Wedomosti" verlangt von Mostowoj öffentlich die Rückgabe seines Preises, wenn er seine Vorwürfe nicht beweisen könne. Das Ergebnis der Untersuchung steht vermutlich bereits jetzt fest und man wird - getreu erlernter KGB-Parteischulung - mit der Erklärung "an all diesen Vorwürfen sei nichts dran" Mostowoj, aber auch alle anderen unabhängigen Journalisten "unwahrer Behauptungen überführen" und dadurch zu diskreditieren versuchen.
Wir haben die nachfolgende Presseerklärung am 15. Mai an die ukrainischen Medien gesandt. Der deutsche Botschafter in Kiew wird Bundestagspräsident Thierse, der sich zu Gesprächen in Kiew aufhält, bitten, das Thema bei Präsident Kutschma anzusprechen.
Presseerklärung an die ukrainischen Medien
Die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig vergibt ihren "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" an mutige, unabhängige Journalisten in Erinnerung an die friedliche Revolution im Herbst 1989 in Leipzig. Spätestens seit diesen Tagen, die die Wiedervereinigung Deutschlands einläuteten, wissen wir um den Wert einer unabhängigen Presse.
Waldimir Mostovoj ist ein unabhängiger, mutiger Mann und großartiger Journalist - für sein Lebenswerk bekam er in diesem Jahr mit anderen Journalisten den "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien". Kiew und die Ukraine können stolz auf ihn sein - er ist ein Leuchtturm für unabhängigen Journalismus! Unsere Begründung geht auf intensive Recherchen zurück, die wir vor unserer Entscheidung - ohne Wissen Mostovojs - durchgeführt haben, wie wir es bei jedem unserer Preisträger tun. Mostovoj hat erst von der Auszeichnung erfahren, als unser Entschluss aufgrund unserer Rechercheergebnisse feststand. Es ist eine böswillige, ehrabschneidende Unterstellung zu behaupten, er habe sich den Preis mit falschen Behauptungen "erschlichen".
Es gehört zu den journalistischen Grundregeln, dass man eine Geschichte gründlich recherchiert und auch die Seite befragt, die den Preis vergeben hat. Mit uns hat niemand gesprochen - auch nicht von "Kiewskie Wedomosti". Im übrigen gibt es auch kein Geheimnis um das Preisgeld. Es ist üblich, derartige Preise zu dotieren und die Höhe des Preisgeldes ist überall bekannt - sie steht auch auf unseren Internetseiten.
Allein die gegenwärtigen Reaktionen gewisser Kreise in Kiew zeigen uns, wie sehr Mostovoj diesen Preis verdient hat und wie richtig unsere Entscheidung war. Er steht mit den internationalen Preisträgern der vergangenen Jahre in einer Reihe mit den großen Journalisten unserer Zeit.
Wir kennen aus unserer eigenen Geschichte die massive Manipulation der staatstragenden Kräfte der ehemaligen DDR gegenüber der Presse. Gerade aus dieser Erfahrung heraus ist die Stiftung nicht bereit, irgendeiner Administration oder Politik genehme Stellungnahmen abzugeben. Freiheit und Wahrheit sollen die Werte sein, die uns leiten. Wir werden die Situation um Mostovoj genau beobachten und wenn Wladimir Mostovoj aus der Preisverleihung ein Schaden entsteht oder er diskreditiert wird, werden wir dies unverzüglich publik machen und auch unsere Preisträger der vergangenen Jahre um Unterstützung in der Berichterstattung bitten.
Aktuelle Reaktionen von W. Mostowoj, veröffentlicht in der Ukrayisnka Pravda am 13.05.2003 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen (www.pravda.com.ua ) > JPG