"Die besten Schreiber sind meist faule Säcke"
Kamingespräch mit Steffen Klusmann, Chefredakteur der "Financial Times Deutschland"
Wie selbstbewusst, ironisch und manchmal auch frech Steffen Klusmann sein kann, sieht man dem Journalisten nicht an. Optisch passt er eher in die Abteilung Liegenschaften eines Landratsamtes. Dahinter steckt aber alles andere als ein gemütlicher Beamtentyp - dahinter steckt einer, der sein Blatt in fünf Jahren zum Marktführer unter den deutschen Wirtschaftszeitungen machen will.
Von Carsten Upadek
Auch mit "Kuscheljournalismus" kann er gar nichts anfangen - bei dem Wort verzieht Klusmann den Mund vor Ekel, als er beim Kamingespräch der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig sitzt. "Kuschelig" war für den Blattmacher all das, was oftmals vor der Gründung der "Financial Times Deutschland" (FTD) in den Wirtschaftsteilen der hiesigen Zeitungen passierte.Aber die Zeiten sind vorbei. Seit Februar 2000 mischt der Sprössling der Financial-Times-Gruppe auf dem hiesigen Markt mit. Mit beachtlichem Erfolg - 102 000 Exemplare druckt das rosa Blatt jeden Tag - Auflage steigend. Beim größten Konkurrenten, dem "Handelsblatt" sind es rund 140 000 Exemplare - allerdings mit umgekehrter Auflagentendenz. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir das Holtzbrinck-Blatt überholen."
Innovativ fehlt in Klusmanns Aufzählung der Vorzüge seines Blattes. Oder vielmehr innovativ für Deutschland. Vom britischen Mutterblatt übernahm man den Nachrichtenstil - der Redakteur baut früh in einem Beitrag den Kontext ein, damit der Leser den Bericht einordnen kann. Man weigerte sich, Interviews autorisieren zu lassen, was zuvor eine feste Regel der hiesigen Zeitungslandschaft war. Und man übernahm von der Insel die Parteiempfehlung vor einer Parlamentswahl - nicht als Spiegelbild der Redaktionsmeinung, sondern als "Konsequenz, wofür wir die vier Jahre zuvor standen."
Dafür musste die FTD einiges an Kritik einstecken. Aber Stillstand ist Rückschritt - das sieht Klusmann schon am Mutterblatt in Großbritannien. Die Auflagenzahlen fallen rapide, gerade verlor Chefredakteur Andrew Gowers seinen Job. Jetzt spekulieren Kollegen anderer Zeitungen über den Verkauf der FT-Gruppe. Angeblich macht sich Klusmann aber noch keine Sorgen. "Es gibt in so einer Situation immer einige, die im Gespräch sind, wie Murdoch zum Beispiel. Selbst Google wurde schon als potenzieller Käufer genannt - die sitzen auf Milliarden", sagt der FTD-Chef.
Genau wie auf die schwarzen Zahlen, die das Blatt eigentlich dieses Jahr hätte einfahren sollen. "Durch die Zeitungskrise haben wir etwas länger Zeit bekommen", erzählt Klusmann beim Kamingespräch den Gästen - vornehmlich sind es Journalistik-Studenten.
Seit August 2004 ist Steffen Klusmann (39) Chefredakteur der Financial Times Deutschland. Das Blatt baute er maßgeblich mit auf, war seit 1999 Teil der Entwicklungsredaktion. Dazwischen arbeitete er etwa ein Jahr als stellvertretender Chefredakteur beim Manager-Magazin. Steffen Klusmann studierte Volkswirtschaft, war auf der Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten und Redakteur der Wirtschaftswoche.
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Die Kamingespräche in der Villa Ida finden in unregelmäßigen Abständen in den Wintersemestern statt. Sie werden gemeinsam vom Lehrstuhl Journalistik I (Prof. Dr. Michael Haller), der Fachschaft der Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig veranstaltet.