Kriege, Krankheiten, Katastrophen - die Afrika-Berichterstattung in der Dramatisierungs-Falle
Kamingespräch mit Hans-Josef Dreckmann, ehemaliger Leiter ARD-Studio in Nairobi
Das Bild Afrikas in deutschen Medien wird von den vier großen K's dominiert: Kriege, Krankheiten, Katastrophen, Krisen. Dagegen hat sich Hans-Josef Dreckmann (65) immer versucht zu wehren. Dreizehn Jahre lang leitete er das ARD-Studio in Nairobi. 38 Länder Schwarzafrikas hatte er zu betreuen. "Ich wollte auch Alltags-Themen platzieren."
Gelungen ist es ihm nicht immer, sagte der frühere Auslandskorrespondent jetzt bei einem Gespräch der Leipziger Medienstiftung. Der Fernsehjournalist ärgert sich darüber, dass Afrika ausschließlich negativ in deutschen Medien erscheint. "Die Privatsender kümmern sich einen Dreck um Afrika. Das findet dort nur statt, wenn plötzlich Ebola auftaucht." Aber auch für ARD und ZDF findet der Journalist kritische Worte. Hintergrund-Berichte und Reportagen, die Alltag und Entwicklungen in Afrika aufzeigen, würden in die Dritten und auf Phoenix verbannt. "Von 1000 Minuten Afrika-Berichterstattung im Ersten finden nur gut zehn Minuten in den Nachrichten statt." Und: "Was in den Köpfen hängen bleibt, ist das, was man in den aktuellen Sendungen sieht. Und dort sind nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten."
Dreckmanns langjährige Erfahrungen werden durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützt. "Afrika wird medial oft Unrecht getan", lautet das Fazit, das Medienjournalist Lutz Mükke aus etwa drei Dutzend Studien gezogen hat. Die Nachrichtenschwelle für Beiträge aus Afrika sei in der aktuellen Berichterstattung derart hoch, dass sie oft nur noch von Mega-Katastrophen, Kriegen, Krisen und sehr exotischen Themen überwunden werden könne. "Afrika befindet sich in einer Dramatisierungsfalle, weil über den Kontinent in Stereotypen berichtet wird, was wiederum den Ermüdungseffekt und den Afrika-Pessimismus der Redaktionen verstärkt. Das betoniert die Höhe der Nachrichtenschwelle", sagt Mükke.
Auch Dreckmann blickt skeptisch auf die Afrika-Berichterstattung, denn die Boulevardisierungs-Tendenzen, die sich während seiner Tätigkeit angedeutet haben, hätten sich noch verstärkt. Die Beiträge sollten kurz, knackig und leicht verdaulich sein. "Man kann aber nicht immer alles in sechs Minuten unterbringen, das Material flott schneiden und fröhlich texten."
Kathrin König