Zum Tod von Werner Schulz.
"Freiheit ist anstrengend und Vielfalt kann zur unerträglichen Last werden", wusste Werner Schulz. "Verteidigen wir unsere weltoffene, soziale, liberale und vielfältige Bundesrepublik Deutschland", hat er uns in seiner "Leipziger Rede für die Meinungs- und Pressefreiheit" am 6. Oktober 2017 aufgefordert. Anlässlich der Verleihung unseres Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien an Deniz Yücel und Asli Erdogan sprach sich Schulz für eine starke, ostwärts gerichtete Europäische Union aus, für eine Bundesrepublik, die in einem Europa der Nationen im Konsens mit ihren Nachbarn agiert, für Medien, die nicht so lang über Regierungshandeln "den Kopf schütteln, bis sie ein Haar in der Suppe finden".
"Werner Schulz war kämpferischer Bürgerrechtler, aufrechter Demokrat, deutscher Patriot und zugleich überzeugter Europäer", erklärt Stephan Seeger, Direktor Stiftungen der Sparkasse Leipzig: "Den Stiftungen der Sparkasse Leipzig war er kritischer Impulsgeber, stets willkommener Gast und Freund. Angesichts seines Todes sprechen wir seiner Frau Christa und seinen Angehörigen unser tief empfundenes Mitgefühl aus."
Werner Gustav Schulz wurde am 22. Januar 1950 in Zwickau geboren. Er studierte Lebensmitteltechnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit den 1970er Jahren engagierte er sich in der kirchlichen Friedens-, Ökologie- und Menschenrechtsbewegung in der DDR. Ab Herbst 1989 engagierte er sich in der Demokratisierungsbewegung Neues Forum. 1990 wurde er Mitglied der ersten (und letzten) frei gewählten Volkskammer der DDR, im gleichen Jahr wurde er in den ersten gesamtdeutschen Bundestag gewählt und agierte dort als Sprecher der Abgeordnetengruppe Bündnis 90 / Die Grünen, 1994-1998 als Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion sowie zwischen 1998 und 2005 als Abgeordneter. Zwischen 2009 und 2014 war Schulz Mitglied des Europäischen Parlaments. Er war stellvertretender Vorsitzender im Stiftungsrat der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Friedliche Revolution in Leipzig. Er verstarb am 9. November 2022 in Berlin.