Interview mit Claas Danielsen, Chef der Leipziger Dokfilmwoche
Claas Danielsen studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Der gebürtige Hamburger drehte zahlreiche Dokumentarfilme, u. a. für den MDR und den NDR und war zwischen 1997 und 2000 Assistent von Gerd Ruge. Seit dem 1. April 2004 ist der 38-Jährige künstlerischer und kaufmännischer Leiter des Internationalen Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm in Leipzig.
Wenn sie auf das 47. Internationale Festival für Dokumentar- und Animationsfilm in Leipzig und somit auf ihren Einstand als neuer Festivalchef zurück blicken, wie lautet Ihr Fazit?
Was die Zuschauerzahlen betrifft, haben wir mit fast 25.000 Zuschauern einen absoluten Nachwenderekord erreicht. Besonders interessiert war das Leipziger Publikum an den programmlichen Neuerungen, die ich 2004 eingeführt habe. Das war der Wettbewerb für deutsche Dokumentarfilme und das Sonderprogramm über Humor im Dokumentarfilm - die Kinos waren rappelvoll. Insofern ist mein Fazit: Ich bin froh und erleichtert über diesen Erfolg. Dazu hat auch die tolle Unterstützung von vielen neuen Partnern wie z. B. der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig beigetragen, die mit der Talent-Taube einen gewichtigen neuen Nachwuchspreis gestiftet hat.
Die Talent-Taube ist mit 10.000 Euro Preisgeld dotiert. Was kann man mit dieser Summe im Bereich Dokumentarfilm als Nachwuchskünstler erreichen?
10.000 Euro sind für Nachwuchsfilmemacher eine beeindruckende Summe und eine tolle Ermutigung. Man kann potenziellen Financiers wie Fernsehsendern, Coproduzenten oder Filmförderern ganz anders gegenüber treten, denn die Auszeichnung zeigt ja, dass bereits Interesse an diesem Film besteht. Vor allem aber ist das Preisgeld als Anschubfinanzierung gedacht, so dass der Gewinner für sein nächstes Projekt bereits Recherchen anstellen, ein überzeugendes Konzept entwickeln und ein Exposé schreiben kann. Damit sind die Chancen, das Projekt später auch zu realisieren, viel größer.
In welchem Maße engagiert sich Deutschland bei der Ausbildung und Förderung von Nachwuchs im Bereich Film im Vergleich zu anderen Ländern?
In England gibt es hervorragende Filmhochschulen, in Frankreich ist die Filmausbildung gut, auch in Skandinavien und zahlreichen osteuropäischen Ländern gibt es sehr gute Medienausbildungsstätten. Die größte Anzahl an Filmhochschulen hat aber Deutschland. Das liegt an den zahlreichen, konkurrierenden Medienstandorten, die versuchen, neue Talente auszubilden, um ihren Standort attraktiv zu halten. Dadurch gibt es viel Nachwuchs, vielleicht zu viel... Man sollte die Ausbildung hierzulande fokussieren und etwas konzentrieren. Dabei wäre es wichtig, sich von der regionalen Konkurrenz zu lösen und sich zu fragen: Was ist in Bezug auf unseren nationalen Bedarf und die internationale Konkurrenzfähigkeit sinnvoll und wichtig, und wo werden Dinge doppelt gemacht.
Die Talent-Taube ging im vergangenen Jahr an den dänischen Filmemacher Jeppe Rønde. Stehen Sie derzeit in Kontakt mit ihm?
Ich habe gerade in Amsterdam seinen neuen Film "The Swenkas" gesehen. Das ist ein sehr schöner und lebendiger Film über südafrikanische Männer, die all ihr Geld und ihre Freizeit darin investieren, sich am Wochenende mit eleganten Anzügen, tollen Schuhen, Hüten und Krawatten herauszuschmücken, um an Wettbewerben teilzunehmen. In schummrigen Kellern und Hinterzimmern wird dann der bestangezogenste Mann gewählt. Ich möchte diesen Film natürlich gern beim nächsten Dokumentarfilmfestival in Leipzig zeigen. Mir ist wichtig, dass wir auch junge Nachwuchstalente - wie in der Vergangenheit - an das Festival binden.
Das nächste Dokfilmfestival findet vom 3. bis 9. Oktober 2005 statt. Können Sie uns zum Abschluss einen kleinen Programmausblick geben?
Zuerst einmal werden wir den deutschen Dokumentarfilm-Wettbewerb fortführen, denn das war ein toller Erfolg. Wir planen auch wieder ein unterhaltsames Sonderprogramm: in diesem Jahr zum Thema Liebe im Dokumentarfilm. Außerdem unternehmen wir erste Schritte, um das Festival auch zu einem Branchentreffpunkt zu machen. Noch eine Neuerung ist, dass wir in diesem Jahr, aller Voraussicht nach, mit unserem Festivalzentrum im neuen und beeindruckenden "Museum der Bildenden Künste" zu Gast sein dürfen - dort schlägt dann sozusagen das Herz des Festivals.
(Das Interview führte Stefanie Theil.)