"Sagen dürfen, was man sagen will":
Der "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" geht in diesem Jahr an Oleg Kaschin, Fahem Boukaddous und Stefan Buchen.
Leipzig. Den "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" erhalten in diesem Jahr der russische Enthüllungsjournalist Oleg Kaschin sowie die Fernsehreporter Fahem Boukaddous aus Tunesien und Stefan Buchen aus Deutschland. Das hat die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig am Dienstag, 6. September, bekannt gegeben. Mit dem Preis zeichnet die Stiftung drei Persönlichkeiten aus, die sich besonders mutig, couragiert und besonnen für die Presse- und Meinungsfreiheit eingesetzt haben.
Der mit insgesamt 30.000 Euro dotierte Preis wird zum elften Mal verliehen und den Preisträgern am 13. Oktober 2011 in Leipzig überreicht. Im Rahmen der Preisverleihung hält die diesjährige "Leipziger Rede zur Medien- und Pressefreiheit" Prof. Dr. Dres. h. c. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichtes a. D.
"Alle drei Preisträger eint ihr unerschrockener Einsatz für Meinungsfreiheit, ihre journalistische Sorgfalt und thematische Unbestechlichkeit", begründet die Jury, die sich aus Stiftungsrat und Stiftungsvorstand der Medienstiftung zusammensetzt, ihre Wahl. "Die Preisträger setzen sich dafür ein, dass die Welt die Wahrheit erfährt. Und sie engagieren sich für jene, die nicht sagen dürfen, was sie wollen."
Oleg Kaschin zählt zu den bekanntesten Enthüllungsjournalisten Russlands. Er setzt sich nicht nur mit Demokratiemängeln in Russland auseinander, sondern greift auch mutig Sozial- und Umweltthemen auf. Kaschin berichtete unter anderem kritisch über die Jugendorganisation "Junge Garde", eine Nachwuchsorganisation der Partei "Einiges Russland". Im November 2010 wurde er überfallen und brutal zusammengeschlagen. Nachdem die "Junge Garde" zuvor auf ihrer Web-Seite in heftigen verbalen Attacken Kaschin als Verräter gebrandmarkt und seine Bestrafung gefordert hatte, distanzierte sie sich später von dem Angriff.
Der Überfall hatte in Russland eine Welle der Empörung bis hin zum Präsidenten ausgelöst und sorgte international für Aufsehen. Obgleich Kaschin noch heute an den Folgen des Überfalls leidet, ist sein Wille, sich nicht mundtot machen zu lassen, ungebrochen. Die Jury sieht in Oleg Kaschin ein journalistisches Vorbild der Gegenwart: Der 31 Jahre alte Russe zeichne sich durch eine besonders besonnene, gründliche und sachorientierte Arbeitsweise aus. In Russland gab und gibt es immer wieder hinterhältige Gewaltattacken gegen kritische Journalisten.
Anna Politkowskaja - ebenfalls Trägerin des "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien 2005" - bezahlte ihren Mut, über den Tschetschenienkonflikt zu berichten, vor fünf Jahren mit dem Leben.
Fahem Boukaddous gilt als eine Symbolfigur der Jasminrevolution in Tunesien in diesem Frühjahr. Bereits Jahre vor dem politischen Umbruch in Tunesien hat der 41 Jahre alte Journalist kritisch und mutig über die Missstände unter der autokratischen Herrschaft von Zine el-Abidene Ben Ali berichtet. Seinen Einsatz für Demokratie, Meinungsfreiheit und Pluralismus musste auch er teuer bezahlen: Er wurde der Gründung einer kriminellen Vereinigung bezichtigt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unmittelbar nach seiner Freilassung im Frühjahr 2011 rief der Fernsehjournalist den Verein "Centre de Tunis pour la Liberté de Presse" ins Leben. Die Jury würdigt sein Engagement für die Pressefreiheit in Tunesien und seinen starken inneren Willen, sich nicht beirren zu lassen. Er stehe stellvertretend für alle, die den Wandel in Tunesien möglich machten und sich gegen Fanatismus und staatliche Willkür einsetzen.
Stefan Buchen ist für seine packenden Berichte aus Krisenregionen des Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrikas bekannt geworden. Der 42 Jahre alte ARD-Fernsehreporter scheut keine Gefahren, um der Welt zu zeigen, was wirklich geschieht. Er liefert authentische Berichte, ob von Taliban-Kämpfern in Afghanistan oder von Kampfgebieten in Libyen. Seine exzellenten Sprachkenntnisse eröffnen ihm den direkten Zugang zu den Menschen vor Ort. Ihre Gefühle und Wünsche fließen in seine Berichte ein, was sie zu einmaligen Zeitzeugnissen macht. Stefan Buchen gibt auch den Menschen eine Stimme, die keine haben. Das ist ein Kriterium, das für die Jury bei der Preisvergabe besonders wog. Darüber hinaus zeichnet sich Stefan Buchen laut Jury durch großen persönlichen Einsatz, hohe journalistische Sorgfalt und klischeefreie Berichte aus.
Auch in diesem Jahr wurden die Preisträger nach klar definierten Kriterien ausgewählt. Der Nominierungsprozess wurde im Vorfeld begleitet von Dr. Martin Welker, Professor für Journalistik an der Universität Leipzig, und seinem Team. Die wissenschaftliche Gruppe um Professor Welker prüft die vorgeschlagenen Kandidaten für den Preis anhand eindeutiger Vergabekriterien.
Die publizistische Leistung der Preisträger
- muss sich auf einen relevanten oder bemerkenswerten Gegenstand von allgemeinem Interesse beziehen,
- ist zugleich auch als ein Beitrag zur Stärkung der Pressefreiheit zu werten - etwa indem Widerstände überwunden werden mussten,
- brachte für den Publizisten auch persönliche Risiken,
- verlangte einen weit überdurchschnittlichen Einsatz an Zeit und Energie,
- ist von ausgezeichneter journalistisch-handwerklicher Qualität.
Jede dieser fünf Kategorien wird mit maximal zehn Punkten bewertet. Die Ergebnisse der Recherchen und deren Auswertung werden in einer gutachterlichen Stellungnahme zusammengefasst, die der Jury als Unterstützung zur Entscheidungsfindung zugeht. Die Jury wählt dann in mehreren Wahlgängen, begleitet von inhaltlicher Beratung, den oder die Preisträger.
Mit dem Preis ehrt die Medienstiftung seit 2001 jährlich Journalisten, Verleger und Institutionen, die sich mit hohem persönlichem Einsatz für die Freiheit und Zukunft der Medien engagieren. Der Preis soll auch die Erinnerung an die friedliche Revolution in Leipzig am 8. Oktober 1989 wach halten: Damals forderten die Demonstranten "eine freie Presse für ein freies Land." (Text: Stephan Seeger)
Weitere Informationen zum Leipziger Medienpreis, zu den Preisträgern und den Aktivitäten der Medienstiftung finden Sie hier.